Justiz


13. Dezember 2019

Rot-Grün will Transparenzgesetz heimlich einschränken

Am kommenden Mittwoch stellt Rot-Grün in der Bürgerschaftssitzung den Entwurf zur Änderung des Transparenzgesetzes, des Umweltinformationsgesetzes und Verbraucherinformationsgesetzes zur Abstimmung – entgegen anderweitiger Zusage ohne Debatte. 

„Mit der geplanten Novelle wird die Transparenz erheblich eingeschränkt“, kritisiert Martin Dolzer, justizpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft. „So sollen sich staatliche Behörden künftig auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berufen können und wichtige Verträge der öffentlichen Hand nicht mehr veröffentlicht werden müssen, bevor sie in Kraft treten. Das ist inakzeptabel.“

Informationen bei der Verwaltung anzufragen würde deutlich erschwert, der Datenschutz von Antragsteller_innen deutlich abgeschwächt, kritisiert Dolzer. So sieht die Novelle vor, dass auch Namen und die Anschriften von Antragsteller_innen an die befragten Stellen weitergegeben werden können. „Wenn bei einer kritischen Anfrage der Name und die Anschrift mitzuteilen sind, wird das Aufdecken von Missständen zum persönlichen Risiko. Das darf so nicht umgesetzt werden“, sagt Dolzer. Zudem sei die geplante Ausnahme der Hamburger Investitions- und Förderbank nicht nachvollziehbar. „Dass Rot-Grün versucht, entgegen anderer Zusagen das neue Transparenzgesetz ohne Debatte zu beschließen, ist intransparent, unredlich und skandalös, passt aber dazu, dass große Teile des bisher guten Gesetzes, das auf eine Volksinitiative von Mehr Demokratie, Chaos Computer Club und Transparency International zurückging, geschliffen werden sollen.“

Um den Charakter des Gesetzes zu erhalten, bringt die Linksfraktion einen Zusatzantrag mit 31 Änderungsvorschlägen ein, der auf Vorschlägen von Mehr Demokratie, Chaos Computer Club und Transparency International beruht. Dolzer: „Wir schlagen vor, die Transparenz auszuweiten, anstatt sie, wie von Rot Grün anvisiert, teilweise auszuhebeln.“ Zu den Vorschlägen gehört das Ermöglichen von Transparenz in Bezug auf Bauanträge und Bauvoranfragen, Anträge zu Probebohrungen, Daten und Pläne zu Liegenschaften, Art und Umfang von drittmittelfinanzierter Forschung, den Verfassungsschutz und das Vermögen der Stadt Hamburg. 

„Wir machen zudem den Vorschlag, genauer zu definieren, wann das Informationsinteresse Geschäftsgeheimnisse überwiegt, um willkürlicher Verweigerung von Informationen entgegenzuwirken“, sagt Dolzer.



Rede in der Bürgerschaft zum Thema: "War die DDR ein Unrechtsstaat"





28. August 2019
Jugendvollzug in Hamburg muss endlich menschenwürdig werden!

„Der Jugendvollzug muss dringend auf ein menschenwürdiges Fundament gestellt werden“: So fordert es Martin Dolzer heute in der Debatte der Hamburgischen Bürgerschaft über seine Große Anfrage zu Jugendvollzug und Jugendarrest in Hahnöfersand (Drs 21/17272). „Wenn es gewollt wäre, könnte dort bereits jetzt ein vorbildlicher, humaner Jugendvollzug auf Grundlage des Offenen Vollzugs als Regelvollzug gestaltet werden.“ Wie die Antworten des Senats auf die Anfrage belegen, sind die Zustände auf der Gefängnisinsel davon aber weit entfernt, so der justizpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE: „Für 135 jugendliche Insassen ist lediglich ein Psychologe verantwortlich, nur sieben Jugendliche sind im Offenen Vollzug – da läuft offensichtlich etwas grundsätzlich schief. Auffällig ist auch, dass 2017 und 2018 die Zahl der Untersuchungsgefangenen eklatant stieg und im Mai allein 18 junge Menschen auch einsaßen, weil sie keinen festen Wohnsitz hatten.“

Bei einem Besuch vor Ort und in Gesprächen mit Verantwortlichen und Anwält_innen zeigte sich, dass Obdachlose genauso wie unbegleitete junge Geflüchtete oft wegen Bagatelldelikten einsitzen und ohne weitergehende Perspektive nur geparkt werden. „Wie so oft gibt die Behörde insbesondere zu diesen Fällen ausweichende Antworten“, kritisiert Dolzer. „Statt die jungen Flüchtlinge bloß abzuwickeln, muss ihnen ein perspektivstiftender Umgang, kulturaffine Sozialarbeit und ein sicherer Aufenthaltsstatus angeboten werden. Nur so kann den meist stark traumatisierten Menschen geholfen werden.“ Ein ganzheitlicher Ansatz, der auch Prävention etwa durch ausgebaute Straßensozialarbeit beinhalten müsste, wäre weit menschenwürdiger als die derzeitige Praxis.

„Die Folgen der politischen Fehlplanung kann das Personal in Hahnöfersand nur schwer auffangen“, betont Dolzer. „Ich hoffe, dass die Justizbehörde bei der für den 10. September angesetzten Expert_innenanhörung zur geplanten neuen Jugendanstalt in Billwerder die bereits in Hahnöfersand auftretenden Probleme ernst nimmt und sich nicht der berechtigten Kritik und den konstruktiven Vorschlägen von Expert_innen und Opposition verschließt. Es gibt zudem viele sinnvolle Maßnahmen, die sofort umsetzbar wären: Die Einstellung von ausreichend Psycholog_innen, Sozialtherapeut_innen und Traumatherapeut_innen, ausreichende kostenfreie Deutschkurse mit Zertifikat und Bildungsangebote auch im Bereich der Landschaftsgärtnerei sowie der Landwirtschaft.“




20. August 2019
Neues Gefängnis in Billwerder: Jugendgerechte Architektur!

Neues Gefängnis in Billwerder: Jugendgerechte Architektur!
Das geplante neue Jugendgefängnis in Billwerder ist architektonisch nahezu identisch mit der Untersuchungshaftanstalt Gablingen bei Augsburg. Die Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft hat deswegen eine Schriftliche kleine Anfrage (Drs 21/17973) an den Senat gestellt. Die Antworten darauf seien ausweichend und diffus, kritisiert Martin Dolzer, der justizpolitische Sprecher der Fraktion. „Rot-Grün mauert -“ so Dolzer, „anstatt sich mit der erzieherischen Zielsetzungen des Jugendvollzugs ernsthaft auseinanderzusetzen und dafür architektonische Grundlagen zu schaffen. Wir können nur hoffen, dass der Senat im Rahmen der geplanten Expert_innenanhörung kritikfähig wird und seine bisherigen Pläne noch einmal überdenkt.“

Der Senat rede die offensichtlichen Übereinstimmungen der geplanten Jugendanstalt mit der Untersuchungshaftanstalt Augsburg Gablingen klein. Mit Anforderungen, die spezifisch sind für Jugendgefängnisse, wolle man sich erst später auseinandersetzen. Auch das Problem einer zu starken Verdichtung werde kleingeredet. Fragen nach der Beteiligung von Personal und Anstaltsbeirat bei der Planung der Anstalt würden lediglich nebulös beantwortet.

„Eine solche Herangehensweise ist schon ziemlich verantwortungslos. Insbesondere in Anbetracht der besonderen Aufgaben einer Jugendanstalt, müssen Architektur und Infrastruktur anders gestaltet sein als in der Untersuchungshaft. Eine 250 Meter lange Magistrale ist vollkommener Unfug. Jugendliche brauchen stattdessen sinnstiftende Angebote, wie zum Beispiel Gartenarbeit und genügend Bewegungsmöglichkeiten an der frischen Luft. Zudem sollten die bereits in Hahnöfersand auftretende Probleme durch unzureichende psychologische und soziale Betreuung sowie ein mangelndes Angebot an Deutschkursen in der Planungsphase berücksichtigt werden,“ erklärt Dolzer.



30. Juli 2019
Neues Jugendgefängnis, veraltete Konzepte

Die vom Senat vorgestellten Pläne für die neue Jugendvollzugsanstalt in Billwerder sind bei Weitem nicht der große Wurf, wie es SPD und Grüne darstellen: „Die sehr verdichtete Bauweise mit dem Schwerpunkt auf vermeintlicher Gewaltfreiheit geht in die vollkommen falsche Richtung“, kritisiert Martin Dolzer, justizpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft. „Eine Übersicht über alle Bereiche zu erreichen und unkontrollierte Kontakte zwischen den Gefangenen vollkommen zu verhindern ist unerreichbar und sollte nicht der Schwerpunkt des Jugendvollzugs sein.“

Vielmehr sollten erzieherische Maßnahmen, Resozialisierung, psychologische Betreuung, Trauma-Aufarbeitung und perspektivstiftende Beschäftigung sowie Offener Vollzug unabhängig von der Herkunft der Betroffenen im Zentrum dieses speziellen Vollzugs stehen. „Diese Aspekte sind allerdings im bisherigen Jugendvollzug in Hahnöfersand völlig mangelhaft entwickelt und leider auch in der neuen Konzeption kaum bedacht“, so Dolzer. „Im Jugendvollzug sind andere Bundesländer wesentlich weniger auf Repression bedacht und werden deshalb dem Auftrag der Resozialisierung besser gerecht als Hamburg.“



31. Januar 2019
Ermittlung gegen Staatsanwaltschaft: LINKE beantragt Selbstbefassung

Wie das NDR-Magazin Panorama 3 und die taz kürzlich berichteten, hat die hamburgische Staatsanwaltschaft nach derzeitigem Kenntnisstand Anteil an der fälschlicherweise erfolgten Inhaftierung eines 26-jährigen syrischen Geflüchteten, der nach über zweimonatiger ungerechtfertigter Haft im September 2018 durch einen Brand in seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt Kleve in Nordrhein-Westfalen zu Tode kam. Die Staatsanwaltschaft Kleve ermittelt deshalb gegen die Hamburger Behörde.

„Wir werden dazu für den kommenden Justizausschuss eine Selbstbefassung beantragen“, erklärt dazu Martin Dolzer, justizpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft. „Als zuständige Vollstreckungsbehörde hätte die Staatsanwaltschaft Hamburg die Pflicht gehabt, zweifelsfrei zu klären, ob die richtige Person inhaftiert wurde. Der Anteil und der Umfang der Verantwortung der hamburgischen Staatsanwaltschaft muss dringend auch parlamentarisch in Hamburg aufgeklärt werden. Die Gleichgültigkeit, mit der sie dem NDR-Bericht zufolge agiert hat, legt einen völlig fahrlässigen Umgang mit dem Recht auf Freiheit nahe. Einen solchen Umgang darf es in einem demokratischen Rechtsstaat nicht geben.“

Hintergrund:
Der Inhaftierung des 26-jährigen Syrers Amed Ahmed lag ein Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Hamburg zugrunde, der für eine völlig andere Person aus Mali mit einem anderen Namen galt. Bereits aus den unterschiedlichen Geburtsorten wäre ersichtlich gewesen, dass es sich nicht um dieselbe Person handeln konnte; ebenso zeigte ein Foto des Gesuchten einen Mann mit einer anderen Hautfarbe als der des Inhaftierten. Die Inhaftierung erfolgte dem Bericht in Panorama 3 zufolge nur, weil der Aliasname des tatsächlich Gesuchten dem Namen des später Inhaftierten ähnelte. Die Staatsanwaltschaft Kleve hat Ermittlungen gegen die Staatsanwaltschaft Hamburg aufgenommen, der Landtag von Nordrhein-Westfalen einen Untersuchungsausschuss eingerichtet.




22. Januar 2019
G20-Urteil: Rigides Urteil ohne Schuldnachweis

Der Niederländer Peike S. wurde gestern vom OLG Hamburg wegen zwei vermeintlicher Flaschenwürfe bei den Protesten gegen den G20-Gipfel zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung verurteilt. Im ersten Prozess nach dem Gipfel war Peike S. zunächst zu zwei Jahren und sieben Monaten ohne Bewährung verurteilt worden, obwohl es erhebliche Zweifel an seiner Schuld gab. Das erste Urteil wurde als vollkommen unverhältnismäßig kritisiert. „Dass Peike S. auf Grundlage des jetzigen Urteils nicht erneut ins Gefängnis muss, ist immerhin ein gutes Signal“, erklärt Martin Dolzer, justizpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft. „Fraglich bleibt, ob im Verlauf der Verhandlung tatsächlich nachgewiesen werden konnte, dass der Beschuldigte überhaupt eine Flasche geworfen hat. In der mündlichen Urteilsbegründung sagte die Vorsitzende, dass zahlreiche Aspekte des Tathergangs unklar geblieben seien, das Landgericht jedoch von der Schuld des Angeklagten überzeugt sei. Die Maxime ‚Im Zweifel für den Angeklagten‘ fand in der Urteilsbegründung keine Erwähnung.“ 

Das zuständige Gericht hatte unzählige Anträge der Verteidigung abgelehnt – unter anderem auf Beiziehung von Videos vom Tatort zur Tatzeit, die mehr Klarheit bezüglich der vorgeworfen Tat hätten bringen können.  Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage, inwieweit die  G20-Prozesse ohne Auswirkungen von politischem Druck geführt werden, so Dolzer: „Deutlich erkennbar ist allgemein, dass das Strafmaß für gleichartige Vorwürfe in den meisten Fällen weit höher ist als vor dem Gipfel. Das ist eine bedenkliche Tendenz. Es stellt sich die Frage der Verhältnismäßigkeit. Gesellschaftliche Probleme können weit besser durch Dialog und Kommunikation als durch Feindbildzuschreibungen, rigide Strafen und Repression gelöst werden.“



15. Januar 2019
Hungerstreik für Menschenrechte: LINKE fordert Engagement

Die kurdische Abgeordnete der HDP und ehemalige Bürgermeisterin von 
Diyarbakir, Leyla Güven befindet sich seit 8. November (also seit 69 Tagen) im Gefängnis im Hungerstreik. Sie fordert die Aufhebung der Isolation des kurdischen Politikers Abdullah Öcalan, den seit 2011 keine Anwält_innen besuchen konnten und dessen Bruder in den letzten zwei Jahren lediglich 15 Minuten Zeit für einen Besuch zugestanden wurden. Leyla Güven wurde am 22. Januar 2018 wegen ihrer Kritik an der Invasion der türkischen Armee in den nordsyrischen Kanton Afrin festgenommen und inhaftiert.

Dazu erklärt Martin Dolzer, europapolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft: „Die Abgeordnete der türkischen Nationalversammlung Leyla Güven fordert mit der Aufhebung der Isolation von Abdullah Öcalan ein Menschenrecht ein. Der Europarat, die Bundesregierung und der Hamburger Senat müssen sich gegenüber der Regierung Erdogan sofort mit allen Mitteln für die Aufhebung der Isolation Abdullah Öcalans einsetzen. Anstatt der Diktatur weiter Waffen zu liefern und die wirtschaftliche Zusammenarbeit fortzusetzen hieße das, unverzüglich Gespräche auf allen Ebenen zu führen: im Europarat, von Regierung zu Regierung und durch Einbestellung der Generalkonsulin in Hamburg. Dabei muss klargestellt werden, dass es keine normalen Beziehungen mit dem Land am Bosporus geben kann, wenn die Menschenrechte nicht eingehalten werden – insbesondere in Bezug auf zehntausende politische Gefangene und den Politiker Öcalan, der sich seit Jahren für einen Friedensprozess in der Türkei und dem Mittleren Osten einsetzt.“

Ein Hungerstreik sei das letzte Mittel von politischen Gefangenen, um Grundrechte und Menschenrechte einzufordern, so Dolzer. „Leyla Güven ist inhaftiert, weil sie sich für den Frieden und gegen den völkerrechtswidrigen Krieg in Afrin eingesetzt hat. Ihr Leben muss gerettet werden. Zudem ist notwendig, die Freiheit aller inhaftierten kurdischen Parlamentarier_innen und Bürgermeister_innen zu erwirken und dem Diktator Erdogan die Grenzen aufzuzeigen.“



19. Dezember 2018
G20-Ermittlungen: Entwicklung zum Überwachungsstaat

Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar hat nach der Nichtbeachtung seiner Rüge gestern per Anordnung der Polizei den weiteren Massenabgleich von biometrischen Gesichtsdaten im Rahmen der G20-Ermittlungen verboten. „Das ist ein gutes Zeichen für den Datenschutz und das Recht auf Versammlung“,  findet Martin Dolzer, justizpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft und Mitglied im Unterausschuss Datenschutz.

Der in Deutschland beispiellose Einsatz durch die Sicherheitsbehörden mit der Software Videmo 360 erfolgt laut Caspar ohne gesetzliche Grundlage. Die Referenzdatenbank soll demzufolge gelöscht werden.

 „Zu Recht kritisiert der Datenschutzbeauftragte, dass es ein nicht hinnehmbarer Eingriff in das Recht auf Informationelle Selbstbestimmung ist, wenn die Sicherheitsbehörden unterschieds- und anlasslos Menschen in einem biometrischen Verfahren erfasst, mit dem sich Verhalten, Bewegungsmuster und soziale Kontakte über ein zeitlich und örtlich nicht eingegrenztes Fenster rekonstruieren lassen“, so Dolzer. „Unter den in Datenbanken erfassten Menschen sind unzählige Betroffene, die zu keinem Zeitpunkt einer Straftat verdächtigt wurden. Eine derartige Ansammlung von Daten hat nichts mit effizienter Strafverfolgung zu tun. Sie ist unverhältnismäßig und Ausdruck einer bedenklichen Entwicklung zum Überwachungsstaat.“



18. Dezember 2018
G20-Prozess: Justiz muss verhältnismäßig handeln

Heute beginnt vor dem Landgericht Hamburg der erste Prozess um die Ausschreitungen an der Elbchaussee während des G20 Gipfels gegen vier nicht vorbestrafte Angeklagte, von denen zwei während des G20 noch keine 18 Jahre alt waren. „Die Staatsanwaltschaft strebt nun hohe Haftstrafen an – obwohl den Angeklagten keine der Straftaten an der Elbchaussee vorgeworfen wird, sondern lediglich die Teilnahme am Aufzug, dem eine politische Ausrichtung abgesprochen wird,“  kritisiert Martin Dolzer, justizpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft.

„Teile der Justiz agieren nach einer Logik der Abschreckung durch besonders rigide Strafen und Vergeltung  – anstatt die Hintergründe von Handlungen und Problemen zu ergründen und auch im Rahmen resozialisierender Herangehensweisen Lösungen für gesellschaftliche Konflikte zu finden. Gerade in Anbetracht der emotional aufgeladenen Debatte um Ereignisse an der Elbchaussee ist ein besonnenes Vorgehen gefragt. Die Justiz muss verhältnismäßig handeln,“ erklärt Dolzer.



13. Dezember 2018
Bagatelldelikte entkriminalisieren, Justiz entlasten!

In der Debatte der Hamburgischen Bürgerschaft zum Einzelplan 2 (Justiz) sagte Martin Dolzer, justizpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE:
„Nach wie vor ist in Hamburg der Verwahrvollzug Alltag in den Gefängnissen. Selbst für die im neuen Resozialisierungsgesetz angelegten Verbesserungen im Übergangsmanagement ist die Haushaltsplanung ungenügend. Wir fordern deshalb als ersten Schritt sieben volle Stellen im Bereich der Psychotherapie zu schaffen, für jede Hamburger Justizvollzugsanstalt eine. Zur Gegenfinanzierung können Ersatzfreiheitsstrafen, also Haft aufgrund nicht gezahlter Geldstrafen, durch Maßnahmen jenseits der Haft ersetzt und Bagatelldelikte entkriminalisiert werden. Es wäre sehr leicht, auf diesem Weg die Überlastung der Justizvollzugsbeamt_innen zu überwinden.
Zudem fordern wir weitere drei Richter_innenstellen und eine zusätzliche Stelle für eine Verwaltungskraft im Sozialgericht. Da wir dies in den Ausschussberatungen bereits gut begründet gefordert hatten, werden nun auch zumindest die drei Richter_innenstellen von der SPD beantragt. Opposition wirkt!“


13. Dezember 2018
Verfahren gegen Mahmut Kaya ist zynisch

Vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht beginnt heute das Verfahren gegen den kurdischen Politiker Mahmut Kaya. Ihm wird Mitgliedschaft in der PKK als „terroristischer Vereinigung im Ausland“ gemäß §129b Strafgesetzbuch vorgeworfen.

„Angesichts der massiven Menschenrechtsverletzungen in der Türkei, zehntausender politischer Gefangener, der Zusammenarbeit der türkischen Regierung mit dem so genannten Islamischen Staat bei der Bekämpfung der Kurd_innen in Rojava/Nordsyrien sowie der völkerrechtswidrigen Angriffe der türkischen Armee im Nordirak ist ein Verfahren gegen einen kurdischen Politiker, dem keine konkrete Straftat vorgeworfen werden, zynisch“, erklärt Martin Dolzer, justizpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft.
Der Angeklagte soll sich als „Gebietsleiter“ 2013/14 in Norddeutschland politisch betätigt und Kundgebungen, Veranstaltungen und Vereinsversammlungen organisiert haben, er befindet sich seit seiner Festnahme im Juni 2018 in Untersuchungshaft.

„Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass Erdogan angekündigt hat auch die kurdischen Gebiete in Rojava östlich des Euphrats angreifen zu wollen, brauchen wir endlich eine Umkehr in der Türkeipolitik“, so der Abgeordnete. „Statt geostrategischer Aspekte müssen die Menschenrechte und das Völkerrecht im Mittelpunkt stehen. Die PKK bemüht sich seit Jahren um Frieden, Demokratie und Frauengleichberechtigung im Mittleren Osten. Statt immer mehr Repression und Verbote gegen kurdische Fahnen, Symbole und Bilder von Abdullah Öcalan umzusetzen, ist es an der Zeit, das PKK-Verbot aufzuheben und einen konstruktiven Dialog mit der kurdischen Bewegung zu suchen. Auch der Senat wäre gefragt, in diese Richtung im Bundesrat und auf Ebene der zuständigen Minister_innentreffen zu wirken.“



28. Juni 2018

Offener Vollzug: Ein richtiger, aber zu kleiner Schritt



Der Senat will den Offenen Vollzug in der JVA Glasmoor ausbauen. „Das begrüßen wir, allerdings wäre der richtige Schritt, den Offenen Vollzug insgesamt in Hamburg zum Regelvollzug zu machen. Das wäre entscheidend für eine gute Resozialisierung“, erklärt dazu Martin Dolzer, justizpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft. „Dass für den Ausbau dieser Haftplatzkapazitäten die Kosten gestiegen sind, ist bei den ohnehin viel zu geringen finanziellen Ressourcen, die der Senat für die Haftanstalten und die Inhaftierten zur Verfügung stellt, das kleinste Problem. Viel eher sollte darauf orientiert werden, die Bedingungen in der Haft durch ausreichende soziale Betreuung und die stärkere Einbindung freier Träger zu stärken. Wenn dadurch der Drehtürvollzug überwunden werden kann, dass also Menschen, die aus der Haft kommen, mangels guter Resozialisierung auch wieder dahin zurückkommen, nutzt das der gesamten Gesellschaft.“




26. Juni 2018

Resozialisierung: Entwurf des Senats ist nicht voll durchdacht

Der Senat stellt sich heute Abend im Justizausschuss den Fragen zu seinem Entwurf eines neuen Hamburgischen Resozialisierungs- und Opferschutzgesetzes. „Gute Resozialisierung kann nicht alleine durch ein gestärktes Übergangsmanagement verwirklicht werden, sie muss am ersten Tag der Haft beginnen“, erklärt dazu Martin Dolzer, justizpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft. „Dazu fehlen im Entwurf entscheidende Impulse. Notwendig ist, den Personalmangel im Justizvollzug zu überwinden und die freien Träger erheblich zu stärken. Auch die therapeutischen Angebote während und nach der Haft müssen erheblich ausgebaut werden.“

Weitere wichtige Bausteine einer ganzheitlichen Herangehensweise wären offener Vollzug als Regelvollzug, Sozialversicherung und Mindestlohn für arbeitende Inhaftierte und die Einsetzung von pädagogisch geschulten Menschen als Anstalts- und Abteilungsleiter_innen. „Um die derzeitige Überlastung der Justizvollzugsbeamt_innen zu überwinden sollten Ersatzfreiheitsstrafen (Haft aufgrund nicht gezahlter Geldstrafen) durch Maßnahmen jenseits von Haft ersetzt und Bagatelldelikte entkriminalisiert werden“, schlägt Dolzer vor. „Schon in der Expert_innenanhörung am 1. Juni wurde deutlich, dass der Entwurf des Senats nicht konsequent durchdacht ist. Unter anderem fehlt es an einer konkreten Definition des Rechtsanspruchs für Inhaftierte auf Beratung über bestehende resozialisierungsfördernde Leistungen und soziale sowie wirtschaftliche Hilfen.“ Zudem will der Senat entgegen dem Stand der Fachdiskussion das ganzheitliche Konzept und die Umsetzung des Fallmanagements aus einer Hand in die Einzelteile Steuerung, Monitoring und Durchführung umwandeln.

„Ich hoffe, dass der Senat heute seine Beratungsresistenz aufgibt“, so Dolzer. „Er sollte außerdem zumindest einige Millionen der durch das Konjunkturbereinigungsverfahren frei gewordenen 1,2 Milliarden Euro nutzen, um seinem Anspruch einer guten Resozialisierung gerecht zu werden und dadurch den so genannten Drehtürvollzug zu überwinden.“




6. Juni 2018
G20-Urteil: „Auch Vorgänge in der GeSa müssen aufgeklärt werden“

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat gestern entschieden, dass Polizeibeamte während des G20-Gipfels rechtswidrig gehandelt haben, als sie am 8. Juli 2017 eine Gruppe von 15 Italiener_innen in Gewahrsam genommen und ohne richterlichen Beschluss teils bis zum nächsten Tag dort festgehalten hatten.

„Mit diesem Urteil schützt der Vorsitzende Richter das Versammlungsrecht“, erklärt dazu Martin Dolzer, justizpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft.„Unter den in Gewahrsam Genommenen befand sich auch die linke Europa-Abgeordnete Eleonara Forenza, die sich als solche zu erkennen gegeben hatte. Der gesamte Vorgang ist Ausdruck des in vielen Fällen unverhältnismäßigen Vorgehens gegen die G20-Proteste.“

Am 8. Juli 2017 hatten sich über 75.000 Menschen zur Abschlussdemo „Grenzenlose Solidarität statt G20“ versammelt, darunter auch die Italiener_innen. Ein Hauptkommissar hatte ihre Ingewahrsamnahme angeordnet, um „Straftaten zu verhindern“, weil einige der Betroffenen schwarze Wechselbekleidung und Ausweise in wasserfesten Tüten dabei hatten.
Im Prozess hatten die Anwält_innen auch die Behandlung der Betroffen in der Gefangenensammelstelle (GeSa) als Verstoß gegen die Menschenrechte kritisiert: Die Italiener_innen hätten sich unter Anderem vollkommen ausziehen müssen und wurden in Zellen untergebracht, in denen die ganze Nacht das Licht brannte. „Auch die Vorgänge in der GeSa müssen lückenlos aufgeklärt werden“, fordert Dolzer. „Es hat seitens des Anwaltlichen Notdienstes etliche Beschwerden wegen Verstößen gegen die Menschenrechte von dort Untergebrachten gegeben.“



4. Juni 2018
Resozialisierungs- und Opferschutzgesetz: „Resozialisierung muss am ersten Tag der Haft beginnen“

Am Entwurf des Senats zum neuen Resozialisierungs- und Opferschutzgesetz gibt es enormen Nachbesserungsbedarf. Die Anhörung am Freitag im Justizausschuss hat die Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft in dieser Einschätzung noch einmal bestärkt. „Resozialisierung muss am ersten Tag der Haft beginnen und nicht erst in den letzten Tagen vor der Entlassung“, meint Martin Dolzer, justizpolitischer Sprecher der Linksfraktion. „Eine gute Sozialpolitik ist die beste Justizpolitik.“

Dementsprechend müssten Maßnahmen der Prävention im neuen Gesetz viel stärker berücksichtigt werden. „Offener Vollzug als Regelvollzug, Sozialversicherung und Mindestlohn für arbeitende Inhaftierte und die Einsetzung von pädagogisch geschulten Menschen als Anstalts- und Abteilungsleiter_innen wären wichtige Bausteine einer ganzheitlichen Herangehensweise“, meint Dolzer. In der Anhörung hatte der Vertreter der Justizvollzugsbeamt_innen kritisiert, dass die Justizvollzuganstalten aufgrund von Personalmangel vor dem Dilemma stünden, den Betrieb aufrecht zu erhalten oder von Beginn der Haft eine gute Resozialisierung zu ermöglichen.
„Es ist notwendig, den Personalmangel im Justizvollzug zu überwinden und die freien Träger erheblich zu stärken. Die therapeutischen Angebote während und nach der Haft müssen erheblich ausgebaut werden. Der Senat sollte zumindest einige Millionen der durch das sogenannte Konjunkturbereinigungsverfahren frei gewordenen 1,2 Milliarden Euro in die Hand nehmen, um dem Anspruch einer guten Resozialisierung gerecht zu werden.“ Dadurch, dass weniger Menschen rückfällig werden, würde – neben dem positiven Effekt für die Betroffenen und die Gesellschaft – auch Geld gespart. Außerdem schlägt Dolzer vor, Ersatzfreiheitsstrafen (Haft aufgrund nicht gezahlter Geldstrafen) durch geeignete Maßnahmen jenseits von Haft zu ersetzen und Bagatelldelikte zu entkriminalisieren. „So könnte die derzeitige Überlastung der Justizvollzugsanstalten wirksam bekämpft werden“, meint Dolzer.

Insgesamt habe der Gesetzentwurf die Schwäche, dass Aspekte im Bereich der Resozialisierung geregelt würden, die eigentlich im Justizvollzugsgesetz oder im Strafrecht geregelt werden sollten. An einigen Stellen würden darüber hinaus Regelungsbedarfe des Maßregelvollzugs mitgedacht, an weiteren Stellen nicht. „Der gesamte Entwurf ist noch nicht ausgegoren und muss weiterentwickelt werden“, meint Dolzer.



28. Mai 2018
Neues Hamburgisches Datenschutzgesetz schützt Daten weniger als zuvor
von Martin Dolzer, justizpolitischer Sprecher der Linksfraktion

Mit dem neuen Hamburgischen Datenschutzgesetz bleibt der Senat weit hinter den Möglichkeiten zurück, den Datenschutz auf seinem bisherigen Niveau zu halten und an einigen entscheidenden Stellen zu verbessern oder auszudifferenzieren.

Mit der neuen Datenschutzgrundverordnung, die am 25. Mai 2018 in Kraft trat, versucht die EU einen einheitlichen Rechtsrahmen für die Datenschutzvorgaben in den Mitgliedsstaaten zu schaffen. Daraufhin wurden und werden auf Bundes- und Landesebene ebenfalls neue Datenschutzgesetze entworfen, um diese der EU-Datenschutzgrundverordnung anzupassen.
Die Linksfraktion hat dem Entwurf für das neue Hamburgische Datenschutzgesetz aus mehreren Gründen nicht zugestimmt, weil er weder mehr Datenschutz noch mehr Transparenz schafft. Die Datenschutzrechte der Menschen in Hamburg hätten durch das Gesetz gestärkt werden müssen. Stattdessen wurde der Schutz vorhandener und erhobener Daten nicht so weit wie nötig definiert oder gestärkt, außerdem wurden weder das Auskunftsrecht in Bezug auf erhobene Daten noch die Möglichkeit, persönliche Daten löschen zu lassen, entscheidend verbessert. In mehreren Punkten wurde der Datenschutz sogar erheblich unter die bisherigen Standards gesenkt:

  1. Videoüberwachung wird in weit größerem Umfang ermöglicht als bisher. Dies ist ein inakzeptabler Eingriff in das Recht auf Informationelle Selbstbestimmung. Wie schon im neuen Bundesdatenschutzgesetz ist das ein zentraler Kritikpunkt am Hamburgischen Datenschutzgesetz.
  2. Die Übermittlung von Daten an Drittstaaten – also an Staaten außerhalb der EU – bei denen die EU davon ausgeht, dass sie nicht sicher mit den Daten umgehen, bleibt in den Regelungen der EU Datenschutzgrundverordnung in vielen Fällen durch Ausnahmeregelungen und Ausnahmegenehmigungen möglich, in weiteren Fällen ist es nicht ausreichend definiert.
  1. Zudem wurde auch in Hamburg, wie schon auf Bundesebene, versäumt, weitergehende Konkretisierungen vorzunehmen, die durch die EU-Datenschutzgrundverordnung nicht geregelt sind. Diese enthält dafür siebzig Öffnungsklauseln. Die Kompetenzen zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten sind so geregelt, dass die EU nur dort tätig werden darf, wo sie eine ganz konkrete Ermächtigungsgrundlage hat. Alles andere liegt bei den Mitgliedstaaten. Soweit die EU in einem Bereich etwas geregelt hat, gibt es einen Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten. Wo sie dies nicht getan hat, ist der Mitgliedstaat frei. Das gilt auch für Fragen der Konkretisierung und Präzisierung. Wenn die EU nur eine allgemeine Regelung trifft, heißt das nicht, dass der Mitgliedstaat in dem ganzen Bereich dieser abstrakten Vorgaben selber nichts mehr regeln darf, sondern nur, dass im Konfliktfall die EU-Regel vorgehen würde.
    Das heißt konkret, dass Deutschland und Hamburg sehr wohl auch weitergehende Konkretisierungen vornehmen hätten können, so lange sie nicht gegen die EU-Datenschutzgrundverordnung verstoßen. Eine Umsetzung dieser Möglichkeit fehlt sowohl im neuen Bundesdatenschutzgesetz als auch im neuen Hamburgischen Datenschutzgesetz an vielen Stellen.
  1. Die EU-Datenschutzgrundverordnung enthält siebzig Öffnungsklauseln, kleine und große. Zwei große hat man beispielsweise für den Bereich des Beschäftigtendatenschutzes und für den öffentlichen Bereich, das heißt die Datenverarbeitung durch staatliche Stellen und auch durch alle privaten, die öffentliche Interessen verfolgen. Dieser Öffnungsbereich betrifft nahezu die Hälfte der gesamten Datenverarbeitung. Dementsprechend hätten auch auf der Hamburger Ebene ohne über den Rahmen der EU-Datenschutzgrundverordnung hinauszugehen, bereichsspezifische oder technikspezifische Regelungen getroffen werden können. So hätten zum Beispiel für die Bereiche „Beschäftigung und Datenschutz“ im öffentlichen Bereich Problemlösungen definiert werden können, die für den privaten Bereich eine Vorbildfunktion hätten. Auch die dazugehörige Videoüberwachung am Arbeitsplatz wurde nicht, wie möglich, genauer geregelt.
  1. Bei der Anpassung des Datenschutzgesetzes gibt es ein weiteres Grundproblem: Viele Paragraphen des neuen Gesetzes sind ohne direktes Hinzuziehen der EU-Datenschutzgrundverordnung und/oder des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) nicht nachvollziehbar oder sogar missverständlich. Die genannten drei Normen sind darüber nicht in der gleichen Systematik nummeriert und strukturiert – so dass ein vollständiges Begreifen der nach dem Subsidiaritätsprinzip geregelten einzelnen Aspekte für die Bürger_innen oftmals schwer wird. Im Berliner Entwurf des Landesgesetzes zur Anpassung an die EU-Datenschutzgrundverordnung wird diesem Problem zumindest einigen Aspekten dadurch Rechnung getragen, dass auf die entsprechenden EU Regelungen hingewiesen wird und das Gesetz insgesamt klar strukturiert ist. Im Hamburger Gesetz fehlt das fast vollkommen. Sein Regelungsgehalt wird dadurch ohne juristische Expertise schlicht unverständlich und schwer nachvollziehbar. Um dem Problem der Unverständlichkeit entgegenzuwirken ist es nötig, dass den Bürge_innen, gesellschaftlichen Akteuren und Unternehmen Informationsmaterial zum Verständnis des neuen Gesetzes in synoptischer Form (mit entsprechenden Verweisen auf die Regelungen auf Europa und Bundesebene) zur Verfügung gestellt wird. Diese Aufgabe bleibt dem Datenschutzbeauftragten überlassen.
  1. Der Datenschutzbeauftragte hätte insgesamt in seinen Kompetenzen, insbesondere aber personell und finanziell stärker unterstützt werden müssen. Letzteres ist nur in sehr geringem Ausmaß geschehen. Die Stärkung der Kompetenzen durch Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten für den Datenschutzbeauftragten wurde ebenfalls in weiten Teilen verfehlt. Die Finanzierung zusätzlicher Stellen, die in der EU_Datenschutzgrundverordnung vorgesehen ist, fehlt ebenfalls.

  1. Eine andere Möglichkeit, das Hamburgische Datenschutzgesetz verständlicher zu machen, wurde überhaupt nicht erwogen: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) lässt Normwiederholungen aufgrund des primärrechtlichen Vorrangs des Unionsrechts in einem besonderen Fall zu: Im Fall des Zusammentreffens einer ganzen Reihe unionsrechtlicher, einzelstaatlicher und regionaler Vorschriften kann es ausnahmsweise „nicht als ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht angesehen werden, dass Regionalgesetze im Interesse ihres inneren Zusammenhangs und ihrer Verständlichkeit für die Adressaten bestimmte Punkte der Gemeinschaftsverordnungen wiederholen.“ (C-272/83, Rn. 27). Das ist hier der Fall. Aus diesem Grund wäre es besser gewesen, wenn im neuen Hamburgischen Datenschutzgesetz für die Verständlichkeit notwendig mit Wiederholungen und grundsätzlich mit Verweisen auf die EU-Datenschutzgrundverordnung und das Bundesdatenschutzgesetz gearbeitet worden wäre, um das oben genannte Problem zu beheben. Vielleicht passiert dies ja durch entsprechenden politischen Druck durch eine nachträgliche Reform.
  1. Auch bei der Neuregelung des Justizvollzugs- wie des Maßregelvollzugsgesetzes wurden personenbezogene Daten besonderer Kategorien wie politische Ausrichtung, Gewerkschaftszugehörigkeit, Sexualität, ethnischer Hintergrund nicht ausreichend geschützt. Das gilt zum Teil nicht nur für die Inhaftierten, sondern auch für Besucher_innen. Zudem wurden auch hier die Möglichkeiten der Videoüberwachung zu wenig geregelt. Aus diesen Grund hat die Linksfraktion auch diesen Gesetzentwürfen nicht zugestimmt.
Fazit:

1983 hatte das Bundesverfassungsgericht im „Allgemeinen Volkszählungsurteil“ das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, also den Datenschutz, auf einen Verfassungsrang gehoben. Wenn wir also heute von Datenschutz sprechen, reden wir über verbriefte Grundrechte und unabdingbare Grundlagen der Demokratie. Die vorliegenden Gesetze zur Umsetzung der EU-Datenschutzgrundverordnung müssen auf Hamburger Ebene an vielen Stellen verbessert und ausdifferenziert werden, um dem Recht auf Informationelle Selbstbestimmung gerecht zu werden. Interessant ist dabei nicht nur, was im neuen Datenschutzgesetz steht, sondern insbesondere, was nicht darin steht, unverständlich formuliert oder ungenau geregelt ist. Dies gilt insbesondere für den Beschäftigtendatenschutz. Es wird in den nächsten Jahren nötig sein, im politischen und zivilgesellschaftlichen Rahmen ein Bewusstsein für die Mängel der jetzigen Gesetze zu entwickeln und entsprechenden politischen Druck aufzubauen, damit diese verbessert werden.



9. Mai 2018
G 20-Prozess gegen Peike S.: Fragwürdiges Verfahren
Seit elf Monaten sitzt der 21-jährige Niederländer Peike S. bereits in Untersuchungshaft, weil er Polizeibeamte während des G20-Gipfels mit Flaschen beworfen haben soll. Im August war S. zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt worden.


Dazu erklärt Martin Dolzer, justizpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft: „In anderen Verfahren wurden nicht vorbestrafte Angeklagte, denen ähnliche Taten während des G20-Gipfels vorgeworfen wurden, jeweils zu Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt. Schon diese Freiheitsstrafen von meist mehr als einem Jahr auf Bewährung gingen erheblich über das übliche Strafmaß hinaus. Zudem machten die Tatzeugen im Verfahren gegen Peike S. widersprüchliche Aussagen. Vor dem Hintergrund all dieser Aspekte ist es besorgniserregend, dass die Richterin sowohl einen Antrag der Verteidigung auf Haftverschonung, wie auch die Einführung von etwaig entlastendem Videomaterial in die Verhandlung abgelehnt hat. Peike S. müsste eigentlich sofort aus der Untersuchungshaft entlassen werden.“

Hohe Strafen sollten offenbar der Abschreckung von internationalem Protest bei umstrittenen Ereignissen wie dem G20-Gipfel dienen. „20 der 30 länger in U-Haft Sitzenden waren, so wie Peike S., nicht-deutsche Staatsbürger_innen, fünf waren Obdachlose. Durch ein solch unverhältnismäßiges Vorgehen werden die Versammlungsfreiheit und auch das Diskriminierungsverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) in Frage gestellt“, so Dolzer weiter. „Egal, ob die Forderungen von Olaf Scholz und Innenminister de Maizière nach harten Strafen oder ein anderer Grund die Motivation für dieses Vorgehen sind, mit fairen Verfahren und Rechtsstaatlichkeit hat das leider wenig zu tun.“



27. November 2017

Fall Fabio: Rechtsstaatlich fragwürdige U-Haft nach G20

Heute wurde Fabio V., der seit dem G20-Gipfel Anfang Juli in Untersuchungshaft saß, gegen eine Kautionszahlung von 10.000 Euro aus der Haft entlassen. „Dass ein 18-Jähriger mehrere Monate in Untersuchungshaft saß, obwohl ihm keine individuelle Tat, sondern lediglich die ,psychologische Unterstützung‘ von etwaigen ,Pyrotechnik- und Steinewerfern‘ vorgeworfen wurde, ist ein bedenkliches Vorgehen der Justiz und ein empfindlicher Eingriff in die Menschenrechte“, erklärt dazu Martin Dolzer, justizpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft. „20 der 30 länger in U-Haft Sitzenden waren, so wie Fabio V., nicht-deutsche Staatsbürger_innen – in mehr als 80 Prozent der bereits entschiedenen Fälle führten die Vorwürfe dann lediglich zu Bewährungsstrafen. Durch ein solch unverhältnismäßiges Vorgehen werden die Versammlungsfreiheit und auch das Diskriminierungsverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) in Frage gestellt. Egal, ob die Forderungen von Olaf Scholz und Innenminister de Maizière nach harten Strafen oder ein anderer Grund die Motivation für dieses Vorgehen sind, mit fairen Verfahren und Rechtsstaatlichkeit hat das leider wenig zu tun.“


21. Juli 2017

Verurteilung des kurdischen Politikers Zeki Eroglu ist Signal in die falsche Richtung

Das Oberlandesgericht Hamburg hat heute den kurdischen Politiker Zeki Eroğlu wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gemäß §129b zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, dass er sich als Gebietsverantwortlicher und Sektorleiter als Funktionär der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) betätigt habe. Die Bundesanwaltschaft (BAW) hatte eine Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, die Verteidigung und Zeki Eroglu hatten Freispruch gefordert.
„Die erneute Verurteilung eines kurdischen Politikers durch das OLG Hamburg ist in Anbetracht der Situation in der Türkei ein Signal in die falsche Richtung. Es ist notwendig, dass die Bundesregierung endlich ihre 2011 erteilte Verfolgungsermächtigung gemäß §129b zurücknimmt, denn durch sie wird Außenpolitik mittels Strafrecht gemacht“, erklärt Martin Dolzer, justizpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE in der Hamburgischen Bürgerschaft.
In der Urteilsbegründung sagte der Vorsitzende Richter Sakuth, es sei erwiesen, dass in der Türkei systematisch gefoltert werde, dass die Rechte der Kurden kontinuierlich verletzt würden und dass es zu extralegalen Hinrichtungen komme. Die Justiz handle nicht unabhängig und fair, staatliche Täter blieben straflos. Ganze Dörfer seien bereits zerstört worden, nur weil der Verdacht bestanden habe, dass sich dort PKK-Kämpfer aufhielten, Menschen seien nur wegen ihrer regierungskritischen Einstellung als Terroristen inhaftiert und verurteilt worden, so Sakuth. Zudem habe die PKK in Syrien Menschenleben gerettet.
„Vor dem Hintergrund dieser Einsicht des OLG wäre der richtige Weg, den Kurd_innen aufgrund der jahrzehntelangen Menschenrechtsverletzungen und der Kriegsverbrechen in den kurdischen Provinzen der Türkei ein Widerstandsrecht gemäß Art. 20 Abs. 4 GG zuzugestehen. Zudem fordert DIE LINKE seit langem die Aufhebung des PKK-Verbots. Durch diese Schritte würde ein positives Signal für eine Demokratisierung des Mittleren Ostens gesetzt“, so Dolzer weiter.


10. Mai 2017
Zum Antrag der Linksfraktion zum Resozialisierungsgesetz

Von  Martin Dolzer, justizpolitischer Sprecher der Linksfraktion


Gemäß § 2 Satz 1 Strafvollzugsgesetz ist die Resozialisierung das wichtigste Vollzugsziel des Strafvollzugs. Darin heißt es: `Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Strafe zu führen.´

Die Hamburger Gefängnisse sind weit davon entfernt, ein Ort zu sein, in dem dieses Vollzugsziel realisiert werden kann. Die Gefangenen werden weder vor ihrer Entlassung adäquat auf ihre Entlassung vorbereitet noch werden sie nach ihrer Entlassung bei den anstehenden Problemen der Wohnungs- und Arbeitssuche, der Gesundheitsversorgung und Suchtberatung, der Suche nach Ausbildungsangeboten, der finanzielle Absicherung und Schuldenberatung oder der sozialen Teilhabe begleitet. Auch gibt es viel zu wenige und manchmal auch nicht angemessene therapeutische Angebote. 


Stattdessen herrscht allzu häufig ein „Verwahrvollzug“, der Gewalt, Unterordnung und weitere Verrohung produziert. Neben dem Entzug der Freiheitsrechte erhalten die Inhaftierten keine tarifliche Bezahlung, wenn sie denn arbeiten, sie können auf der anderen Seite zur Arbeit gezwungen werden und sind dabei nicht einmal in die Sozial- und Rentenversicherung einbezogen. 


Aber auch die Kontakte zur Außenwelt während der Haft sind nicht geeignet, eine Integration zu fördern. Aus einer einmaligen Erhebung für die Zeit vom 1. Januar 2016 bis 1. Februar 2016 ergibt sich, dass 91% der jugendlichen Strafgefangenen keinen Besuch von ihren Rechtanwält-innen erhielten. 63% der Jugendstrafgefangenen erhielten in dieser Zeit keinen Besuch durch Angehörige und Verwandte. (siehe Drs. 21/5713) 


Vor diesem Hintergrund wird ein Großteil der Gefangenen nicht nach zwei Drittel

entlassen, sondern sitzen ihre Strafe bis zum letzten Tag ab. Ebenso sind die hohen Rückfallquoten - nicht nur im Hamburger Strafvollzug - Ausdruck dieser Verhältnisse. Auch wenn laut Drs. 21/5713 der Hamburger Senat dazu keine statistischen Daten bereithält, berichtet die Welt in einem Bericht vom 20.4.16, dass schon nach einem Jahr rund 40% der ehemaligen Gefangenen rückfällig geworden sind. Fachleute sprechen deswegen von einem Drehtürvollzug.

Die Realität des Hamburger Strafvollzugs verhindert damit allerdings nicht nur für die Gefangenen deren Resozialisierung, sondern diese Art Verwahrvollzug ist teuer und reproduziert sich selbst. So ein Vollzug produziert immer neue Straftaten und damit auch neue Opfer von Straftaten. Dabei waren viele Täter – vor allem in ihrer Kindheit und Jugend - auch Opfer von Gewalt oder Missbrauch oder betroffen von sozialer Benachteiligung.


Die Beschäftigten im Strafvollzug sowie in den Hilfen nach Beendigung des Strafvollzugs sind mit der jetzigen Situation oft überfordert und werden im Stich gelassen. Alle Akteure, die im Bereich der Resozialisierung im Strafvollzug und außerhalb des Strafvollzugs arbeiten, beklagen mangelnde Finanzierung und/oder die fehlende Unterstützung ihrer Arbeit. Ein Ausdruck davon sind hohe Krankenraten im Strafvollzug.


Vor diesem Hintergrund will der Rot-Grüne Senat aus unserer Sicht auch eine Reform des Strafvollzugs und die Resozialisierung in Form eines Landesresozialisierungs- und Opferschutzgesetzes auf den Weg bringen. Die Fraktion DIE LINKE unterstützt eine solche Initiative. So ein Gesetz sollte sich aus unserer Sicht u.a. an den Zielen der Wiedereingliederung, der Haftvermeidung, der Prävention sowie an der Verringerung der Anzahl Gefangener orientieren.


Aus diesem Grund haben wir in der Bürgerschaft einen Antrag gestellt, demzufolge bei der bevorstehenden Neuregelung durch das Resozialisierungsgesetz eine Reihe von Maßnahmen berücksichtigt werden soll. Der Antrag wurde von sämtlichen Fraktionen in den Justizausschuss überwiesen.


Im Bereich der Vollzugsgestaltung fordern wir u.a., dass der offene Vollzug schrittweise zur Regelvollzugsform ausgebaut wird und dass im Regelvollzug zukünftig der Vollzug in Wohngruppen mit Wohngemeinschaften von maximal 20 Personen stattfindet.


Im Bereich von Behandlung und Therapie fordern wir u.a. daraufhin zu wirken, dass jedem/jeder Inhaftierten und Bewährungshilfeklient_in ein Angebot der Straftataufarbeitung in Einzel- oder Gruppengesprächen und bei Bedarf therapeutische Angebote zur Verfügung gestellt werden. Dazu ist die Verbesserung der Personalschlüssel erforderlich. Auf der Ebene der Abteilungsleitung sollten in Zukunft überwiegend Sozialarbeiter_innen/-pädagog_innen eingestellt werden. 


Im Bereich Qualifizierung, Arbeit und Freizeitmöglichkeiten fordern wir u.a. dass die Qualifizierungs- und Schulungsmaßnahmen im Vollzug und Maßregelvollzug ausgebaut und die arbeitenden Inhaftierten in die Renten- und Sozialversicherung einbezogen werden. In Haft und Maßregelvollzug muss die weitgehende Vermeidung von Fremdbestimmung sowie die Förderung von Möglichkeiten der eigenen Einflussnahme auf den Lebensalltag umgesetzt werden. Das heißt auch, dass selbstorganisierte Strukturen wie Gefangenenvertretungen und gewerkschaftliche Tätigkeit gefördert und auf keinen Fall negativ sanktioniert werden. Zudem sollte ein sozialer Arbeitsmarkt für straffällig gewordenen Menschen in staatlicher Trägerschaft aufgebaut werden.


Im Bereich Wohnung nach der Haft fordern wir den Ausbau von betreuten Wohnformen für haftentlassene Menschen sowie die entsprechende finanzielle Ausstattung freier Träger und den Auf- und Ausbau von Sozialwohnungen für Haftentlassene und straffällig gewordene Menschen.





Dokumentiert: Rede von Martin Dolzer am 02.09.2017 in der Hamburgischen Bürgerschaft
Soziale Sicherung statt wegsperren

Erst einmal möchte ich etwas zur Rhetorik in der Anmeldung zur Debatte insbesondere seitens der CDU sagen. Floskeln wie Skandalsenator und Sicherheitsrisiko für Justiz und Strafvollzug – befördern Ressentiments und Spaltungsprozesse in der Gesellschaft – anstatt sich ernsthaft mit den vorhandenen Problemen der Gerichte und in den Gefängnissen auseinanderzusetzen. 
 
Eine solche Herangehensweise finde ich verantwortungslos – denn dadurch wird eine Stimmung geschürt, auf deren Grundlage jeder ernsthafte Ansatz einer sinnvollen Ausgestaltung und insbesondere einer Demokratisierung von Justiz und Strafvollzug diffamiert und verhindert werden soll.

Mit ihrer Herangehensweise Herr Seelmäcker bedienen sie ein übersteigertes Sicherheitsbedürfnis der Menschen, dass auf einer "subjektiv gefühlten zunehmenden" Kriminalität, die mit den objektiven Verhältnissen nichts zu tun hat beruht. Das ist der typische Law and Order Diskurs.

Gucken wir uns die Statistiken der Polizei an – dann sehen wir, dass gravierende Gewaltstraftaten in den letzten Jahren kontinuierlich abnehmen – außer rassistische Gewalt von Rechtsextremen – die nimmt zu, dass ist aber ein Thema, dass gesondert diskutiert werden muss.

Aber selbst wenn die Kriminalität im Bereich der Gewaltstraftaten oder anderer Bereiche zunehmen würde oder zunimmt – hat das immer hauptsächlich gesellschaftliche und nicht individuelle Gründe – und sollte dementsprechend ganzheitlich angegangen werden.

Mit Sorge betrachten wir die ohnehin zunehmend repressive Strafgesetzgebung in der BRD und die seit Jahren anhaltende Tendenz - dass Diskussionen zum Thema Rechtspolitik und Justiz hauptsächlich in Richtung Strafverschärfung, Verfolgung und Ausbau der Verfolgungsbehörden geführt werden. Das ist eine logische Konsequenz des Neoliberalismus – das ist Raubtierkapitalismus angewandt auf die Strafgesetzgebung und die Justiz.
In diesem Rahmen werden diejenigen, die in Konflikt mit Gesetz oder Staatsmacht kommen zu Feinden erklärt – anstatt die gesellschaftlichen Ursachen der Konflikte zu erkennen und durch eine umsichtige Politik zu beheben.

Dazu gibt es eine Alternative: soziale Sicherung statt Wegsperren – die Umverteilung des Reichtums nach „Unten“ – sowie die Eröffnung von Zukunftsperspektiven auch für Benachteiligte – anstatt das Schüren von immer weiter gehender Konkurrenz und Ausgrenzungsmechanismen.
Dazu fehlt es aber an politischem Willen – auch bei Rot-Grün ist der Wille zu einem solchen Kurswechsel – viel zu wenig ausgeprägt!

Der Antrag von Rot-Grün – die Aufstockung um drei SozialrichterInnen und Vier variabel einsetzbare RichterInnen und StaatsanwältInnen – ist zwar ein notwendiger und erster richtiger Schritt – den wir auch unterstützen werden.

Das fordern wir ja auch schon seit Jahren.

Dieser Schritt reicht aber bei Weitem nicht aus – sowohl von der Zahl der geschaffenen RichterInnenstellen – (Im Gespräch mit den Präsidien der Sozialgerichte habe ich erfahren, dass sie vier RichterInnen benötigen) - als auch als „Justizpolitisches Gesamtkonzept“ – reicht das nicht.

Im einem ganzheitlichen Gesamtkonzept zur Justizpolitik sollte unserer Ansicht nach wesentlich mehr auf soziale Sicherung und die Verbesserung der Resozialisierungsmaßnahmen, auf die Gleichstellung der Strafgefangenen in der Sozialversicherung und beim Mindestlohn und auf Prävention statt Strafe gesetzt werden.

Ein Beispiel dazu – Es gibt in Hamburg noch immer unzählige hunderte, wenn nicht gar mehr als 1000 soziale Gefangene. Menschen die mehrfach schwarzgefahren sind – oder Strafgelder nicht bezahlen konnten – oder aus Hunger Lebensmittel geklaut haben – gehören nicht ins Gefängnis.
Jeder Tag in Haft kostet in Hamburg knapp 115 Euro. Im Monat sind das 3450 Euro – im Jahr 41975 Euro das mal 700 wären dann knapp 30 Millionen Euro. Es wäre viel sinnvoller die sozialen Gefangenen frei zu lassen und keine Weiteren zu inhaftieren – denn durch Haft wird das Leben der Menschen nachhaltig zerstört.
Und mit dem durch die Freilassung der sozialen Gefangenen frei gewordenen Geld könnten dann genügend Sozial- oder VerwaltungsrichterInnen eingesstellt – oder die Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei im Bereich der Verfolgung von Wirtschaftskriminalität geststärkt werden

  • im Bereich der Wirtschaftskriminalität sind die nämlich unterbesetzt – und diese Form der Kriminalität belastet die Gesellschaft in Milliardenhöhe.
  • Zum Beispiel die Praktiken der HSH-Nordbank sind ja weitaus schädlicher und teurer als wenn einige Menschen Schwarzfahren
  • von dem Geld was Hamburgs SteuerzahlerInnen auf Senatsbeschluss immer wieder in die Rettung dieser Bank stecken müssen, könnten wir über Jahre den ÖPNV finanzieren – und alle Menschen umsonst Busse und Bahnen nutzen. Da wird doch ein Problem deutlich – die gesellschaftliche Wertung – die Zuschreibung das Labelling – was wie schwerwiegend kriminell ist – und geächtet wird.
  • Die ManagerInnen von Banken, die bewußt gegen die Interessen der Gesellschaft handeln – oder Wirtschaftskriminelle werden z.B niemals derartig gesellschaftlich ausgegrenzt und diskreditiert – und auch nicht so effektiv verfolgt, wie soziale Gefangene – oder Jugendliche, die aus Frustration oder mangelnder Zukunftsperspektive mit dem Gesetz in Konflikt kommen.
Da müssen wir noch viel ändern!

Das Vertrauen in die Regeln einer demokratischen Gesellschaft lebt ja davon, dass Regeln für alle gelten, unabhängig vom Einkommen und vom gesellschaftlichen Status. Auch zu einer zielgerichteten Wiedereingliederung von straffällig gewordenen Menschen in die Gesellschaft gibt es keine vernünftige Alternative. Die erfolgreiche Resozialisierung ist doch der beste Schutz der Bevölkerung vor Kriminalität. Da sollte eine Debatte über Justizpolitik geführt werden.
Es bedarf doch eigentlich zudem vielmehr der sozialen und therapeutischen Beratung, Behandlung und Integration – und dies vom ersten Tag der Inhaftierung bis in die Zeit nach der Entlassung aus der Haft.

Mittelkürzungen, Kosteneinsparungen, Personalabbau und hohe Krankenstände des Vollzugspersonals lassen die reale Resozialisierung jedoch mehr und mehr zu einer scheinbar vollzugsrechtfertigenden Theorie verkommen.

Auch freie Träger der Sozialen Arbeit kämpfen ums Überleben, die staatliche Straffälligen-Hilfe unterliegt der Schuldenbremse.

Das sind nur einige Punkte in denen eine völlig fehlgeleitet Praxis beendet oder verändert werden muss.

Und ich denke wir sollten die Debatte zu einem so wichtigen Thema wie Entwicklung der Justizpolitik vor allem sachlich und nicht so populistisch führen

  • wie die CDU das versucht, in dem sie einen Senator angreift,
  • der zumindest versucht einige – wenn auch nur geringfügige Verbesserungen im Sinne des Wohles Aller Menschen – und entgegen dem Diskurs der Straflust und Repression – auf den Weg zu bringen -
  • wir kritisieren den Senat ja auch – aber sachlich und eher weil er Ideen von einer sozialeren Gestaltung der Justiz nicht konsequent genug verfolgt – auch wenn der Justizsenator dann wie wir ja Heute wieder gesehen haben – mit populistischen Attacken konfrontiert wird.



 Aus dem Bürgerschaftswahlprogramm

Rechtsstaatlichkeit und Resozialisierung fördern


DIE LINKE tritt für die konsequente Durchsetzung des Gewaltenteilungsprinzips und eine Demokratisierung der Justiz ein. Wir wollen in Hamburg die Unabhängigkeit der Justiz – der Gerichte und der Staatsanwaltschaften – nach europäischen Standards ausbauen. Das Vertrauen in die Regeln einer demokratischen Gesellschaft lebt davon, dass diese Regeln für alle gelten, unabhängig vom Einkommen und vom gesellschaftlichen Status.

Das ist – wie nicht nur der Fall der Vorstände der HSH-Nordbank zeigt – in der Realität oft nicht der Fall. Straftaten, die im Bereich Wirtschaftskriminalität angesiedelt sind und der Gesellschaft meist riesigen Schaden zufügen, werden häufig nicht ausreichend gerichtlich aufgeklärt, auch deshalb, weil die zuständigen Abteilungen der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaften sowie die zuständigen Gerichte zu schwach ausgestattet sind.

Zu schwach ausgestattet sind auch die Sozialgerichte, die mit einem seit Jahren andauernden Anstieg von Klagen die Folgen rechts- und sozialpolitischer Fehlentscheidungen zu tragen haben. Die Betroffenen zahlen mit überlangen Verfahrensdauern, die in der Regel zu akuten Notlagen führen. Damit auch die Benachteiligten ihr Recht bekommen und die Bessergestellten nicht billig davonkommen, fordert DIE LINKE eine ausreichende personelle und sachliche Ausstattung der Gerichte.

Zu einer zielgerichteten Wiedereingliederung von straffällig gewordenen Menschen in die Gesellschaft gibt es keine vernünftige Alternative. Die erfolgreiche Resozialisierung ist zugleich der beste Schutz der Bevölkerung vor Kriminalität. Debatten um Kriminalität und ihre Bekämpfung werden immer dann geführt, wenn gewaltvolle Straftaten oder Sexualdelikte – medienträchtig aufbereitet – die Bevölkerung hochschrecken lassen. Die Folge ist, dass nach mehr Sicherheitsmaßnahmen im Vollzug und härteren Strafen gerufen wird. Doch diese auf Abschreckung und Bestrafung setzenden Reaktionen dämmen Kriminalität nicht ein. Die Resozialisierung, eine auf die Mündigkeit der Person zielende Eingliederung in die Gesellschaft und somit auch die Reduzierung der Rückfallwahrscheinlichkeit werden damit nicht erreicht.

Vielmehr bedarf es der sozialen und therapeutischen Beratung, Behandlung und Integration – und dies vom ersten Tag der Inhaftierung bis in die Zeit nach der Entlassung aus der Haft. Mittelkürzungen, Kosteneinsparungen, Personalabbau und hohe Krankenstände des Vollzugspersonals lassen die reale Resozialisierung jedoch mehr und mehr zu einer scheinbar vollzugsrechtfertigenden Theorie verkommen. Die Praxis sieht sich einem zunehmenden Verwahrvollzug gegenüber, der Resozialisierung im eigentlichen Sinne nicht leisten kann. Freie Träger der Sozialen Arbeit kämpfen ums Überleben, die staatliche Straffälligen-Hilfe unterliegt ebenfalls der Schuldenbremse. Das muss beendet werden.
 
Dazu sehen wir folgende Maßnahmen als erforderlich an:

  • Die Haftbedingungen müssen an einem sozial verträglichen Behandlungsvollzug statt an Bevormundung und »Erziehung« zur Unselbstständigkeit ausgerichtet werden. Dazu bedarf es eines Ausbaus und einer Verstetigung von Programmen zur Resozialisierung von Gefangenen und haftentlassenen Menschen.
  • Auch muss ein Ausbau des offenen Vollzuges hin zur Regelvollzugsform erfolgen und der Einsatz von ausreichendem Personal in den Anstalten, sowohl Sicherheitsbediensteten als auch Behandlungspersonal, sichergestellt werden.
  • Es gilt, ausreichende Arbeitsplätze für die Gefangenen in allen Vollzugsformen zu schaffen, wobei die angebotene Arbeit an den Arbeitsmarkt in Freiheit angepasst werden muss und auf sinnvolle und menschenwürdige Tätigkeiten gerichtet sein soll.
  • Vom zukünftigen Senat fordern wir, sich auf Bundesebene für die tarifliche Bezahlung von Gefangenen und insbesondere für ihre Einbeziehung in die Renten-, Pflege- und Krankenversicherung einzusetzen.
  • Für Gefangene sind sinnvolle und identitätsstiftende Freizeitangebote sowie Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten zu schaffen, die es ihnen ermöglichen, ihre Persönlichkeit zu entwickeln und später in Freiheit auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu bestehen.
 
Drogenpolitik neu denken: Aufklärung und Hilfe statt Strafe

DIE LINKE. Hamburg setzt sich für eine gesundheitsorientierte Drogenpolitik ein. Daher stehen alle Maßnahmen der Prävention von Drogenabhängigkeit im Vordergrund unserer Bemühungen. Wir wollen die Entkriminalisierung der Konsumentinnen und Konsumenten vorantreiben, um so einen effektiven Jugend-, Gesundheits- und Verbraucherschutz zu ermöglichen. Verbote halten niemanden davon ab, Alkohol, Haschisch, Kokain oder Heroin zu konsumieren. Im Gegenteil:
Die aktuelle Drogenpolitik schädigt die Menschen und die Gesellschaft. Mit der Verbotspolitik gibt der Staat zudem die Kontrolle über die Verfügbarkeit und Qualität von Drogen auf.

Eine solche Politik widerspricht den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzipien: Sie ist nicht geeignet, Drogenkonsum zu verringern, und sie ist nicht erforderlich, weil gesundheitsrechtliche Regelungen besser geeignet sind. Die Aufklärung über Rauschmittel sollte in Schulen ab der 8. Klasse stattfinden.

Die Angebote zur Prävention von Drogenabhängigkeit müssen genauso wie die psychosoziale Betreuung der Schwerstabhängigen ausgebaut werden. Ärztinnen und Ärzte müssen bei der Schaffung von Substitutionsangeboten unterstützt werden. Aufklärungskampagnen über die Folgen des Missbrauchs legaler Drogen halten wir für ebenso notwendig wie ein Werbeverbot für Alkohol
und Zigaretten.

Wir stehen für die Einführung von nicht kommerziellen Cannabis-Klubs oder anderer regulierter Organisationsformen für den selbstbestimmten Cannabiskonsum.

Wir fordern:
  • Der Hamburger Senat muss sich auf Bundesebene für eine Reform des längst überholten Betäubungsmittelgesetzes einsetzen.
  • Es müssen rechtliche Möglichkeiten zur Gründung von nicht profitorientierten Cannabis-Clubs für den Eigenverbrauch geschaffen werden